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Das Böse – der Preis menschlicher Kognition?

Was tut sich in unseren Köpfen, wenn wir Verwerfliches in Betracht ziehen oder Böses tun? Was löst das im Gegenüber aus? Was weiß die Hirnforschung darüber?

// Die spezielle Materie momentan ist leider so umfangreich & kompliziert, dass eine wahrheitsgemäße & verständliche Darstellung hier manchmal für Verzögerungen sorgt. Ich hoffe, Sie verstehen auch das und können mit den Ergebnissen etwas anfangen – sorry.//

3 neuere Erkenntnisse der Hirnforschung

Bildgebenden Verfahren führen Neurologen, lt. Prof. Dr. med. Joachim Bauer (Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut), zu dem Schluss, dass Aggression KEIN natürlich vorgegebener Instinkt oder Trieb, im Sinne eines fest verankerten, genetisch gegebenen Antriebes sein kann:

1. Soziale Ausgrenzung, Zurückweisung & Frustration über mangelnde Zuneigung & Anerkennung aktivieren das gleiche neuronale Netz, die selben Areale wie körperlicher Schmerz. Ablehnung, Feindseligkeit & Trennung von geliebten Menschen oder sozialen Gruppen tun also wirklich weh, werden empfunden wie körperliche Schmerzen.

2. Es stimmt –  und zwar ausnahmslos – was DarwinCharles_Darwin_1880 bereits 1887 feststellte:

Der biologisch-evolutionäre ANTRIEB (= Motiv) des Menschen sind die

angenehmen Empfindungen“(Zitat)!

Denn nur dann (!), wenn die sogen. Motivationssysteme ihre Glücksbotenstoffe freisetzen, weist die Forschung nach, empfinden wir Menschen unser Tun  als lohnend & erstrebenswert und dann bleiben wir auch dran, weil wir von den erzeugten Glücksgefühlen dafür  sozusagen inwendig belohnt werden. Allein dieses Belohnungssystem im Gehirn treibt uns also vorwärts.

3. Unterstützend zeigt ein weiterer Versuch:

Nicht provozierte, also rein willkürliche Aggression OHNE GRUND löst in keinem gesunden  Hirn eine Ausschüttung jener motivierenden Glücksboten und somit auch keine angenehmen Empfindungen bei uns aus. (Ausnahme sind bestenfalls sogen. gewissenlosen Psychopathen beispielsweise – mit nachweislich veränderten Hirnmechanismen).

Na das beruhigt doch wenigstens etwas,

was unseren Wissensstand über die menschliche Natur angesichts zunehmender Brutalität und scheinbarer Gleichgültigkeit in unserer „Leistungs- & Ellbogengesellschaft“ angeht. Und es passt zu Gerald Hüthers Untersuchung, dass wir alle bei Geburt das Böse NICHT kennen!

(Hier nochmal der Link nur zu dieser kurzen Vortragssequenz)

Dr._Gerald_HütherWenn sich, in der Folgephase des selben Experimentes mit diesen Jüngsten, die mittlerweile Einjährigen nur wenige Monate später dann aber nicht mehr nur für Zuwendung & Unterstützung, sondern auch zu 10-20% für die Identifikation mit einem destruktiven Unterdrücker entscheiden, lässt das nur einen Schluss für mich zu.

Allein die Umwelt,

und zwar die nächste (hier das Elternhaus o. ä.), vermag andere Assoziationen, Gefühle & REAKTIONEN in uns auszulösen. Und auch das deckt sich mit Darwin, der aggressives Verhalten bei Menschen generell als reaktives Verhaltensprogramm“ (Zitat) einschätzte und stattdessen die sozialen Instinkte (Zitat) des Menschen als treibende Kraft bei uns sah.

Von Natur aus also  ausschließlich zu Glück & Bedürfnisbefriedigung getrieben, müssen es bei diesen Kleinstkindern die ersten Beobachtungen & Erfahrungen in einigen ihrer Familien sein, die diese dann nach einiger Zeit die Unterdrückung (=Autorität?) als erfolgversprechenderes und somit lohnenderes Lernmodell erkennen lassen. „Ja, irgend woher müssen die das doch haben?..“, sagt Hüther.

containing-851235_1280Die anderen, gut 80% hingegen scheinen in ihrer naturgegebenen Erwartung mit guten Empfindungen bestätigt & von ihrem Körpergefühl belohnt zu sein.

Die Erfahrung von Zuneigung & Unterstützung bestätigt ihr Zugehörigkeitsgefühl und gibt ihnen genau die Geborgenheit, die sie in ihrer zunächst hilflosen Abhängigkeit von den Erwachsenen brauchen, um hieraus mit ihrem erfolgversprechenden Grundgefühl (=Zuversicht) die Welt anzugehen. Dass das..

auch kulturell & historisch..

tendenziell so zutrifft, recherchierte zudem Erich Fromm in den 70ern, der sich von 30 sogen. primitiven Stämmen Untersuchungen aus den 30er & 60er Jahren ansah sowie die Erkenntnisse aus den Anfängen der Menschheit zuvor, aus der sogen. Prähistorie, jener Zeit als die Menschen noch nicht sesshaft waren, sie stattdessen als Nomaden in Gruppen von  Jägern & Sammlern herumzogen.

Erstaunlicherweise musste Fromm feindselige, zerstörerische und ausbeutende, also definitiv destruktive Tendenzen gerade bei den einfachsten Lebensformen eher suchen!!! Er fand sogar einige Kulturen, in denen es keinerlei körperliche Züchtigungen, keine Ausbeutung, keine harten Strafen und auch keine kriegerischen Auseinandersetzungen gab. Das war mir neu.

Vielmehr fand auch er bestätigt, dass die Menschen ursprünglich meist friedlich & freundlich mit einander lebten –  selbst die Jäger, die gemeinsam, scheinbar ohne jegliches Dominanzverhalten jagten und sogar unter den Familien teilten mit denen, die eher zu wenig mit nachhause gebracht hatten.

Die eigene Gruppe..

scheint das höchste Gut im Ursprung unserer Köpfe. Nahezu aller Zugewinn wurde offensichtlich nur zu Gunsten Aller erworben und wie selbstverständlich dann auch zum Gemeinnutz verwendet.

Erst das Aufkoyak-597862_1280mmen von Landbesitz (=Privat Eigentum) mit der Sesshaftigkeit über Ackerbau & Viehzucht vor rund 9000 – 6000 Jahren scheint erstmals im Bewusstsein der Menschen etwas verändert zu haben – nicht aber an ihren Genen (!) – offensichtlich aber an der evolutionär bestätigten,  grundsätzlich SOZIALEN Einstellung, sich nur im Schulterschluss  behaupten & etwas erreichen zu können.

Aggressivität & kritisch zu bewertende Machtgedanken..

hingegen gesellen sich also, so gesehen,

  • erstmal als Protest & Aufmerksamkeitsfaktor in den Kleinsten,
  • später als Abwehr- und Verteidigungshaltung zunächst von Gruppen
  • dann auch längerfristig als Sicherheit & Orientierung 
  • ebenso wie als ein  besseres individuelles Fortkommen, empfunden im Vergleich zu Anderen,

erst in Konfrontation mit den Strukturen der realen Umwelt hinzu.

Dabei funktioniert Aggression,..

Widerwehr und damit auch die aktive Gewalt grundsätzlich auf 2 Ebenen, wie Joachim Bauer weiter ausführt:

1. Der seitens Bauer sogen. „Dampfkessel“, hand-474951_1280wissenschaftlich der mit „Bottom-Up-Drive“ benannte Impulsverlauf einer sich aufbauenden Aggression über 4 Stationen im Gehirn..  über die Mandelkerne (die Amygdala tief in den Schläfen),  weiter in die Ekelzentren der sogen. Insula, einem alten Teil der Hirnrinde, hinter/unter der Amygdala und dann z. T. zu den Stresszentren des Hypothalamus, unserer Steuerungstelle für die Botenstoffe, sowie den Erregungszentren des uralten Stamm- oder Reptilienhirns.

Die enge Verknüpfung über diese Hirnareale mit dem archaischen Kampf-Flucht-Mechanismus bei realer Furcht und die Verbindung zu den Ekelzentren scheint dabei kein Zufall.

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menschliche Natur & Gewissen..

(s.a. meinen Beitrag zur menschlichen Natur)

Dass aus Angst schnell Zorn & Wut entspringen kann, kennt wohl fast jeder und ganz offensichtlich gibt es auch so etwas wie moralischen Ekel.. vor einem persönlich als amoralisch/asozial bewerteten Verhalten oder vor den Personen, die man deshalb als widerwärtig empfindet – auch das wurde untersucht – sogar mit dem gleichen globalen Gesichtsausdruck dazu – all over the world.. 👿

2. Die Steuerung bzw. Kontrolle unserer Impulsivität übernimmt das bei Bauer sogen. „Moralische Kontrollzentrum“. In Fachkreisen sonst „Top-Down-Control“ genannt, liegt dieses Areal an dem uns ebenfalls bereits bekannten Ort für unseren „freien“ Willen & die exekutiven Funktionen: Im präfrontalen Cortex des Stirnhirns und „nährt“ sich dort aus den Eindrücken, die wir aus erkennbaren Reaktionen Anderer auf unser eigenes Verhalten im Laufe der Zeit abgespeichern..

nerves-346928(auch hier gabs schon mal was zum „freien“ Willen)

Da herrscht beim Kleinkind natürlich erstmal „gähnende“ Leere!! Das erklärt jetzt auch manch‘ pure Impulsivität bei den ganz ganz Lütten.

Erst allmählich, ab dem 2. bis 3. Lebensjahr, sammeln sich hinter der Stirn konkrete Erfahrungen, vor allem aus der Erziehung heraus, an. Genau betrachtet, bildet sich hier also auch unser Gewissen – step by step. Bauer nennt es den Reifeprozess des Frontalhirns, der maßgeblich von der Zuwendung & Konsequenz der engsten Bezugspersonen (Eltern) abhängt.

Impulskontrolle & persönliche Sozialkompetenz..

(das, was uns von den archaischen Reaktionen der Reptilien unterscheidet), also so Grundlegendes wie Teilen als auch Warten & sich beherrschen zu wollen & zu können, zunächst um der Gemeinschaft willen, muss hier also erst mühsam erlernt werden.

Um so klarer wird jetzt, wie wichtig & unerlässlich – nun auch hirntechnisch erkennbar – eine liebevolle & aufmerksam konsequente Erziehung für Kinder & Jugendliche sein muss und wie schnell, wie früh & tief verwurzelt sich hier durchaus auch Fehlverhalten in Pro & Contra vorprägen kann, welches ursächlich eigentlich Andere „verzapft“ haben.

Das verwerflich Böse..

ist also  weniger unserer Intelligenz an sich geschuldet, als paradoxerweise der Notwendigkeit unserer Zugehörigkeit zu einer fortschreitend „zivilisierten“ Umwelt (im Kleinen wie im Großen) inmitten von Besitz, Eigentum & Statussymbolen nebst den damit verbundenen Wertgefügen, die unsere ureigensten Bedürfnisse auf zweifelhafte Weise erweitern und damit Missgunst, Habgier, Ausbeutung & Feindbilder fest in unsere Welt eingepflanzt haben. Eine Erkenntnis, die fast dem „realen Abschied vom Paradies“ gleichkommt  und ebenso unumkehrbar scheint.

Morgen geht’s weiter mit den Folgen falsch verstandener Erziehung – generationsübergreifend – nach Arno Gruen.

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