Die Psychologen hätten gern, dass jeder sich selbst liebt. Können Sie das? Halten Sie das überhaupt für möglich? Und was ist mit unseren Untiefen?
Ich gebe gern zu, der Satz: „Ich liebe mich.“, ist absolut nicht meiner! Ja gut, im Großen & Ganzen kann ich zu mir stehen, halte mich schon für eine seltene Mischung und eben darin sehe ich meinen eigenen Wert. Aber woher kommt die versteckte Zurückhaltung?
„Eigenlob stinkt!“,
ist zunächst eine Einstellung, die mir jedenfalls noch in der Erziehung vermittelt wurde. Dahinter stehen für mich ursprünglich fast christliche Werte – Gedanken an Demut & Bescheidenheit. Ergo mag ich mich nicht „über den Klee loben“ und finde es auch nicht wirklich realistisch.
Nun bin ich aber nicht gläubig, beim besten Willen nicht und stehe der Kirche mehr als skeptisch gegenüber. Dafür gibt es viele Gründe.
So halte ich es an dieser Stelle für unverantwortlich, uns Menschen grundsätzlich als Sünder abzustempeln, zu Schuld & Sühne samt gesenktem Haupt zu verurteilen – zeitlebens!
Unverantwortlich finde ich es auch, es mit der Beichte den einen viel zu leicht zu machen und andererseits nahezu allem Menschlichen gegenüber weltfremd & ablehnend entgegenzutreten (allem Nichtgläubigen z. T. auch noch rassistisch). So jedenfalls sehe ich die bisherige kirchliche Tradition und in diesem Kontext auch jeden Glaubenskrieg, der brennt wie kein anderer.
Allein das ist alles andere als menschenfreundlich, mag vielleicht auf das eine oder andere Laster & manche Gefahr hinweisen, versetzt uns als „Sünder“ aber allesamt in die Defensive.
Es pflanzt Unsicherheit, Angst und den Gedanken der Unverbesserlichkeit seit Jahrtausenden in uns ein.
Das kann nicht der richtige Ansatz sein und die Kirche selbst so nie das Vorbild für echtes Leben. Hingegen zeugt die Geschichtsschreibung von Manipulation & Eigennutz in Reinkultur – sorry, das denke ich.
Weshalb halte ich mich dennoch an diesen Wert?
Ich könnte ihn für mich ja ändern. Mag ich mich nicht wirklich? Kenne ich mich zu gut, um mich, so wie ich bin, zu mögen? Stoße ich mich an Äußerlichkeiten & mangelnden Fähigkeiten bei mir? Bin ich ein Blender und habe stets ganz andere Ambitionen als ich nach außen vorgebe?
Ein sogen. Blender war ich wohl nie – das kann ich behaupten. Aber sonst war ich beileibe nicht immer begeistert von mir und finde auch heute noch Einiges nicht so optimal.
Als Mädchen in Pubertätszeiten hat mir erstmal so Manches beim Blick in den realen Spiegel nicht an mir gepasst. Im Wesen war ich zudem ständig zwiegespalten – teils ängstlich, mancherorts auch nachdenklich & unsicher, was andere wohl jeweils von mir dachten. Teils aber vergaß ich das auch komplett, war frech, herausfordernd & unternehmungslustig, kämpfte nicht selten für meine Meinung, manchmal sogar für Andere.
Daheim hatte ich ebenfalls beides – eine fast überverständige Mutter, die allerdings selten da war und einen wahrlich überkonsequenten, teils despotischen alten Herren mit noch älteren Erziehungsansichten, der mich auf strengste Weise in der Spur zu halten und mir seine Sicht der Dinge nahezubringen versuchte.
Erst wesentlich später, im Vergleich zu anderen Elternhäusern über meine Freunde, ging mir langsam auf, dass dennoch beide meiner Eltern immer hinter mir standen, an mich glaubten, so wie ich war und wie SELTEN, vor allem.. wie WERTVOLL, so etwas war & ist!!!
Dieses simple: „Du machst das schon..“,
das ich wenige Male hören durfte, ist Gold wert.. gibt Selbstwert, Rückendeckung & vertrauensvolle Zuversicht.
Jeder, der das irgendwann doch von seinen Eltern, seinen Freunden, seinem Partner, ja sogar von seinem Chef, der Kollegin oder dem Kompagnon hören konnte oder kann, weiß, wie gut das klingt!!! Vor allem, wenn man es nicht erwartet.
Das ist Zuspruch & Zutrauen, was jemand wie Öl auf Deine Seele gießt, ganz ohne Anspruch (!) und meint zweifelsfrei Dich, wie Du bist (!) – wenn es mit Aufmerksamkeit verbunden ist (und nicht nur die Verantwortlichkeit verschieben will) und.. es lässt beide „wachsen“ – selbst wenn mal was schief geht.
Das ist auch etwas, was wir jederzeit (wieder) neu in unsere Repertoire aufnehmen können. Da findet sich schon wer, der das lange nicht gehört hat und dem das ebenso gut tut – einfach so. Aber zurück zum Thema.
Sind Sie, bin ich liebenswert?
Aus dem, was ich aus Erfahrung, Büchern und sicher auch den Medien weiß, ist der Mensch zu Schrecklichem, ja Bestialischem in der Lage – keine Frage.
Wenn ich mir aber aufmerksam anschaue, wie das Gros an Zerstörerischem jeweils zu „keimen“ beginnt, könnte man manches Mal meinen, wir haben uns unsere eigenen (Denk-)Strukturen geschaffen, in denen Nichtachtung von Mensch & Besitz schlicht einfacher ist als das Gegenteil, der Respekt. Ganz ähnlich wie die unbedachte Lüge den Meisten einfach schneller über die Lippen geht als die Ehrlichkeit. Manche Folge des Unguten & Bösen ist dann „nur noch“ der Schneeballeffekt.
Nun sind wir aber nicht alle pausenlos „daneben“. Viele versuchen viel richtig zu machen, Einige haben sich ihren Rahmen viel zu bescheiden gesteckt und nach wie vor „schippern“ nur wenige ständig & nahe der Skrupellosigkeit, nahe Größenwahn & krimineller Perversion im Alltäglichen. Lassen wir uns vom Medienbild nicht allzu sehr von etwas Anderem für hiesige Breitengrade vereinnahmen.
Der Liebe wert..
ist angesichts dessen, mit Blick auf uns selbst, vielleicht auch ein zu hoher, zu spezieller Anspruch, der mitunter missverstanden, auch „die falschen Blüten treibt“, wie Gefallsucht, Leistungsdruck & grenzenloser Perfektionismus, beispielsweise.
Das kann nicht gemeint sein, denn beim Selbstwert geht es überhaupt nicht um irgendeine Leistung! Unseren Wert für uns und die Welt bringt jeder schließlich bereits mit.
Sich selbst zu lieben, zu mögen oder was auch immer, meint unser ursprüngliches Wesen, so komplett wie es uns einst „auf die Welt gewürfelt“ hat.
Selbstwert meint genau die besondere Mischung an Eigenschaften, die uns zu einem Individuum und über die Unverwechselbarkeit zu einer Seltenheit, somit kostbar & des Entdeckens würdig macht – und das zeitlebens!
Selbstwert, Selbstliebe und ähnliches meint die Akzeptanz unseres Selbst – so wie wir selbst uns begreifen. Wie wäre es also stattdessen mit..
Mitgefühl, Interesse & Standing?
- Mitgefühl für sich selbst, inklusive auch aller miesen & dunklen Gedanken, die zweifelsfrei jeder hat (spätestens wenn ihm nur finster genug mitgespielt wird),
- einen weiten Blick & langen Atem dazu, die Dinge im Zusammenhang zu sehen, also Interesse & Verstehen (wollen)
- – beides auf diese Weise für sich wie für Andere – und
- eben jenes Standing vor sich selbst als auch freigiebig, sozusagen als Rückenstärkung, für Jeden, der es in unseren Augen wert ist und/oder es einfach in mancher Situation gut brauchen kann.
Was ich Ihnen versprechen kann, ist.. wenn Sie sich selbst mit diesem Blick entdecken, werden Sie auch in die Welt um sich herum viel tiefer blicken. Wenn Sie dabei ehrlich mit sich sind & zunächst annehmen, was Sie finden, wird Ihr Selbstmitgefühl zur besten Basis, auch all die Anderen neu zu sehen. Vormals Fremdes oder Anstößiges wird Ihnen vielleicht bekannter vorkommen, vormals Unerreichbares oder Unerklärliches plötzlich nachvollziehbarer.
Je aufrichtiger, fairer & klarer Ihr Blick mit der Zeit wird, um so mehr werden Sie verstehen – ohne weiter vorschnell zu urteilen und damit Ihre Gedanken zu verkürzen – besser verstehen, sich selbst wie Andere..
Damit, meine ich, lässt sich besser leben.