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Keine Angst vor dem Tod..

könnte man denken, wenn man in Statistiken findet, dass in Deutschland ca. 10.000 Menschen jährlich den Freitod wählen.

Das sind immerhin mehr Menschen als alle unfreiwillig durch Drogen, HIV und Verkehrsunfälle zusammen aus dem Leben Gerissenen.

Genauer betrachtet aber, scheint die Angst vor dem Tod dieser Menschen „nur“ kleiner zu sein als die vor dem Leben.

Was mir bekannt war,..

ist die Tendenz von Jugendlichen, angesichts scheinbar unlösbarer Probleme, schlicht aufgeben zu wollen. Was mir ebenfalls bekannt war ist, dass angehende junge Männer davon nicht viel durchschimmern lassen und dann einfach „ihr Ding“ konsequent für sich zu Ende bringen, während Mädchen ihre Absicht eher mehrfach ankündigen, weshalb es dann glücklicherweise wesentlich häufiger „nur“ beim Versuch bleibt, ihr Umfeld dadurch aber gründlich aufgerüttelt wird.

Was ich bis vor Kurzem nicht wusste ist, dass nahezu durchgängig in jedem Alter um ein Vielfaches mehr Männer sich das Leben nehmen und dass bei beiden Geschlechtern die fortgeschrittene Mitte des Lebens offensichtlich genügend Anlass gibt, nichts anderes mehr zu versuchen und einfach Schluss zu machen mit seinem Schicksal.

Das schockiert mich und es fällt mir schwer, das „nur“ als Kehrseite und offensichtlichen Beweis der Schwere von Lebenskrisen ab einem Alter von 45 zu werten.

Dass Männer hier aber generell zu den Spitzenreitern gehören, verwundert mich nicht! Warum?

In erster Linie, weil  die traditionelle Männerrolle kaum Raum lässt für Ängste und vom rollenbewussten Mann erwartet, den selbstverantwortlichen Einzelkämpfer für sich  & andere zu geben.

Ist das denn immer noch so?

Trotz aufgeklärterem Rollenverständnis und grundsätzlich aufgeschlossenerer Haltung unserer Folgegenerationen, leider ja.

Auch wiederum in einer aktuellen Studie lässt sich feststellen, dass Männer (wie Frauen übrigens auch) mit dem Entschluss, eine Familie zu gründen und ganz klassisch Kinder in die Welt zu setzen sowie ein Haus dafür zu finanzieren, in den Folgejahren wieder häufiger und augenscheinlich auch freiwillig in alte Rollenmuster „flüchten“, um der dauerhaften Mehrfachbelastung schlicht mit Vereinfachung der Verhältnisse und „altbewährter Klarheit“, mittlerweile Hand in Hand, zu begegnen.

couple-400621_1280Trotz Emanzipation der Frau, trotz eines weitreichenden ersten Gesinnungswandels bezüglich einer Gleichbehandlung der Geschlechter in Mitteleuropa und trotz der vielfachen Umsetzung  in der praktischen Erziehung von Jungen & Mädchen über Jahrzehnte, lassen sich „die Uhren wohl doch nicht so grundlegend zurückdrehen“ und nicht jede Tür für jedes Geschlecht angelweit öffnen..

Wohin die Reise geht, was uns an Veränderung unseres Rollenbewusstseins überhaupt gut tut und was eher nicht, ist dabei lang noch nicht raus. Selbst die Forschung tappt streckenweise noch deutlich im Dunkeln in Sachen Geschlechtsspezifik – ganz egal ob es unsere genetische Präposition, unser Gehirn oder den Einfluss von Hormonen & Botenstoffen auf Frauen & Männer betrifft – ein Datenloch – noch.

Nichts ist klar, nichts eindeutig, stattdessen alles im Umbruch und schon gar nichts gleich – wie jetzt auch wieder die Nachrichten bezeugen, dass einerseits noch immer Männer besser für ihre Arbeit bezahlt werden als Frauen und die Politik derzeit meint, nur per Erlass, sprich: nächster Frauenquote, nun auch die Chefetagen gleichgeschlechtlicher gestalten zu wollen.

Andererseits aber hören und lesen wir immer öfter, wie irritierend die forcierte Angleichung der Geschlechterrollen vor allem auf Männer wirkt.

Was also macht heute (noch) einen Mann zu einem Mann?

Und was lässt, übrigens nicht nur in Deutschland, teilweise doppelt bis dreimal so viele Männer den letzten Schlussstrich ziehen?

Ich denke, es sind vor allem die gegenseitigen Erwartungshaltungen, die sich von Generation zu Generation dennoch, zu großen Teilen unbewusst fortpflanzen. Und hier passt das Wort „fortpflanzen“ besonders, weil es ja ohnehin auch wirklich etwas  mit Arterhalt und Fortpflanzung im ureigensten Sinne zu tun hat.

Im Ansatz von der Biologie freigestellt, der Körper nicht für das Austragen von Kindern gemacht, begreift sie sowohl ihr näheres Umfeld, wie folglich die kleinen Kerle sich selbst irgendwann, als den einzig frei verfügbaren Part, der früher oder später in größerem Radius agieren & versorgen kann..  und deshalb MUSS (!)..  spätestens dann, wenn die groß gewordenen Mädels sich irgendwann um ihren Nachwuchs kümmern und sich, gleichfalls biologisch vorbestimmt, einfach viel mehr an Kind & Nest gebunden fühlen. Was Männer glücklicherweise heute verstehen können – in hiesigen Breitengraden jedenfalls – „verstehen können“ zumindest.

Diese Rollenverteilung scheinen wir nach wie vor instinktiv als natürlich, im wahrsten Sinne, zu empfinden – jedenfalls solange andere Orientierungen gerade mal auch nicht älter als wir selbst, mit unseren 50plus, sind.

stopwatch-60204_1280Damit ist heute, nicht viel anders als damals, immer noch tendenziell festgelegt, dass Jungs sich selbst viel frühzeitiger mit der Abnabelung vom Nest zu befassen haben und irgendwie darauf vorbereiten müssen, in ähnliche Fußstapfen zu treten wie ihre Väter und die anderen männlichen Orientierungsfiguren der Erwachsenenwelt.

Zuhause, Geborgenheit, Miteinander & Austausch

sind somit von vornherein, sowohl in den Köpfen der Mütter & Väter, in denen möglicher Schwestern & Brüder als auch in den Köpfen der Söhne selbst, viel mehr eine Art Zwischenstation vor dem großen „Abflug“ in unbekannte Welten mit ungewissem Schicksal.  Und später ist ihr Zuhause auch mehr eine Art „Tankstelle“ oder bestenfalls ein kleiner Inselhafen, mitten im wilden Meer des „realen Lebens“.

Zeit dürfte, so gesehen, eine andere Bedeutung haben, Stress einen viel größeren Einfluss aber auch Angst! Schließlich wird niemand als furchtloser Held geboren.

Mangels Zeit, aber dem einzigen heeren Ziel folgend, draußen künftig auch siegreich handeln zu müssen, haben Gefühle & Ängste wenig Platz – selbst wenn man(n) sie äußern könnte und wollte. Schließlich entscheiden Erfolg oder Versagen des Mannes in dieser Konstellation immer auch über Gedeih & Verderb seiner ganzen Familie.

Draußen herrscht demzufolge meist Zugzwang. Eher entwickeln sich Verantwortungs- und Pflichtgefühl wie auch Leistungsdruck einerseits als auch Schuldgefühle andererseits aus der permanenten oder auch latenten, ganz praktischen Angst zu scheitern.

Ob mit wachsender Entfernung & Entfremdung der unterschiedlichen Lebensbereiche oder als Folge, sich draußen entweder nur wenigen Verbündeten mit minimalem Raum für Solidarität gegenüber zu sehen oder nur Konkurrenten, wenn nicht gar Feinden und wieder kaum Zeit zu haben, sich dagegen zu wappnen, stattdessen aber jede Menge Druck im Nacken – das ist schon fast egal..

opposites-489521Was Männer heute fühlen – aus erfülltem oder versagtem Ziel heraus, als Weg des Kampfes oder in ständiger Habachthaltung der Verteidigung inklusive der Perspektive von Niederlage & tiefem Fall, nebst Folgen und Schelte dafür..

Diese Motive & Ängste sowie die fehlende Zeit für MEHR als auch ihre mittlerweile viel präsentere Sehnsucht nach einem MEHR für sich, erklären mir noch heute viel.. bei den heute erwachsenen Söhnen, die noch solche hartgesottenen Männer zu Vätern hatten. Ich finde, man spürt es – diffus.

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