Vatertochter

Die Vatertochter

Heute bin ich so alt, wie mein Vater bei meiner Geburt es war..

„Puh, das ist aber alt..“, ich hoffe, Sie denken da jetzt an meinen Vater 😉 , „..und mutig!“, höre ich da einige, wahrscheinlich eher männliche Vertreter denken.

Ja, stimmt – beides! Dennoch scheint es nicht nur möglich, sondern halbwegs gelungen zu sein, hoff‘ ich doch – aus heutiger Perspektive. Die Konstellation war eine Herausforderung – für alle Beteiligten – in mehrfacher Hinsicht & speziell für mich: Antrieb bis heute.

Bis zu Schulzeiten war ich begeistert von ihm. Er war Künstler, Maler und hatte sein Atelier daheim. Ergo, war er nahezu immer da – so hab ich es in Erinnerung. Mit 5 habe ich ihn verteidigt, wenn fremde Kinder meinten, ich sei mit meinem Opa unterwegs. Voller Unverständnis, angesichts solch stattlicher & aufrechter Statur, beteuerte ich, dass das natürlich(!) mein Vater sei. Mit 6 wollte ich ihn heiraten, mit 9 habe ich ihn zum ersten Mal im Schach besiegt. Er war mein Held – in diesen Tagen noch.

Das mit dem Schach..

ging auf eine längere Phase dieses einzigen Spiels, für das er sich Zeit nahm mit mir, zurück. Ein mehrjähriger Zeitraum, in dem er mir seine Strategie des öfteren freigiebig kommentierte, das Brett dann auch immer wieder drehte und mir damit seine Position als meine zweite Chance schenkte. Ich genoss diese Zeit, aber irgendwann weckte es den Ehrgeiz in mir, es aus eigener Kraft schaffen zu wollen. Ich begann das Drehen des Brettes abzulehnen..

Das erste Mal auf diese Weise gewonnen zu haben, hab ich bis heute nicht vergessen. „Stolz wie Oskar“ war ich. Erst später überlegte ich, ob er wirklich alles gegeben oder meinem Erfolg doch unbemerkt ein wenig nachgeholfen hatte – denn er war gut, wie ich in vielen späteren Spielen immer wieder registrieren musste. Letztlich ist es aber egal – ich fühlte mich zum ersten Mal ebenbürtig & stark.

Diese kleine Geschichte soll beispielhaft sein..

für den „Initialschuss“ meines persönlichen Bezuges zu Männern. Genau für die Lebensphase, in der Sie und ich heute stecken, besagte 50plus also, war er nahezu immer eine zugewandte Seele für mich. Wenn er auch sonst wenig Zeit erübrigte, mich nur ungern & strengstens begrenzt in erste Freiheiten entließ, hatte er dennoch häufig ein offenes Ohr für meine Anliegen, kein Problem mit echter väterlicher Zuwendung und zärtlichem Trost, war immer bemüht, auch auf meine naivsten bis kniffligsten Fragen echte Antworten zu finden. Das war und ist viel wert.

Dass ich „nur“ ein Mädchen war, hat er mich so nie spüren lassen. Ich war einfach nur sein Spross, wurde auf seine Weise von ihm geliebt, gefordert & gefördert, gelobt & getadelt, aber auch wenige Male zur Strafe gezüchtigt. Mein und sein Temperament waren von Anfang an auch Thema zwischen uns – auch das habe ich so in Erinnerung.

Die Ambivalenz, der Zwiespalt darin, zwei noch lange nicht gleichrangige Hitzköpfe im Alltäglichen zu sein, gab jede Menge „Stoff & Zunder“ für die späteren Jahre meiner Kindheit & Pubertät. Zunächst aber hatte er mir liebevoll „in meinen Sattel geholfen“.

Wie ein typisches Mädchen wollte ich aber auch nicht..

das Laufen lernen, denn dafür war mir das Frauenbild, das mir der gleiche Mann im Umgang mit meiner Mutter zeigte, neben den neuen Möglichkeiten der Zeit, die um uns herum nun angebrochen war, absolut keine Wunschvorstellung.

Impulsiv, straight im Verstand, emotional & manchmal strange waren wir zwei mit nem flotten halben Jahrhundert zwischen uns. Daran zeichnete sich ab, dass wir beide wohl eher weniger zum Mitläufer taugten.

Und das in einer „verkehrten Welt“. Meine Mutter ging für gutes Geld arbeiten – während er von daheim aus malte, zeichnete, schrieb, entwarf & baute sowie hin & wieder ein, zwei.. auch mal drei? und vier? Augen auf mich „warf“. So kam es mir jedenfalls vor. Es gab ja meist auch nur mich, das Einzelkind, daheim.

Dass ich Texterin geworden bin, wundert mich daher nicht! Ich kam bereits aus einer Art täglichen Schulung bevor mich die Uni sah. Beides gehört zu mir – sonst wär ich nicht ich.

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