Bodenwerder-Münchhausen-Denkmal

Trickkiste des ICH

Bei Anderen fällt es uns auf.. Jeder läuft irgendwie mit einer „Brille“ rum, viele mit einer Maske..

Aber selbst sehen wir alles klar & handeln im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte 😉 ! Schön wär’s! Es ist aber nicht so – wie schon der Beitrag: „Wie Sie sehen, sehen Sie nix“ anschnitt.

Wahrnehmung_selektive
Wie Sie sehen,.. – selektive Wahrnehmung –

Aber nicht nur das. Egal wie selbstbestimmt sich jeder Einzelne empfindet, unsere Wahrnehmung ist ebenso von unseren Gefühlen & Emotionen beeinflusst wie unsere Entscheidungen – und das nicht zu knapp.

Auch die Einordnung von Erfahrungen, die sich ja nun auch wieder zum Teil aus unserer (subjektiven) Beobachtung, aber auch aus unserem direkten Empfinden & Bewerten von Ereignissen speist, durchläuft damit auf beiden Schienen einen unbewussten Filter.

Hinzu kommt unsere voraus geschickte Erwartung aus vergangenen Erfahrungen, die unsere Einschätzung prägt, uns auf das Eine achten, das Andere als irrelevant beiseite schieben lässt – sowohl während der nächsten Erfahrung als auch in der emotional gesteuerten Bewertung danach.

Nehmen wir noch die Erinnerung mit hinein, von der wir wissen, dass wir ständig Vergleichbares suchen und es dann in Komplexen „verschmolzen “ mit scheinbar Ähnlichem abspeichern. Diese Verbindungen im Nachhinein wieder zu trennen, womöglich bewusst gesteuert neu zusammenzustellen, ist dabei ebenso illusorisch, wie die Verbindung der nächsten „Speicherinhalte“ willentlich vor- oder zumindest mitbestimmen zu wollen.

Unterm Strich bleibt da nicht viel Raum..

weder für bewusste, rational wohl durchdachte Entscheidungen, noch für eine wirklich freie Wahl oder für ein Bewusstsein eines wahrhaft Freien Willens, über dessen Existenz die Wissenschaft eh schon immer streitet.

Eisberg-ModellWie recht ein Sigmund Freud da bereits vor rund 100 Jahren hatte, als er das nebulös erscheinende Unbewusste als mächtigen & treibenden Hauptanteil unserer Psyche, unterhalb der bewussten Oberfläche in seinem Eisberg-Modell skizierte, scheint die Forschung heutiger Tage immer deutlicher zu belegen.

(Hierzu gibt es einen INTRO-Artikel „Eisberg & Vulkan“)

Zudem sind wir nicht allein auf dieser Welt und weil uns das wichtig ist, wie wir uns auch im Verhältnis zu den Anderen stellen und das natürlich auch unseren Bedürfnissen & Ängsten entspricht, spielt auch der Faktor der Gemeinschaft, der Gesellschaft nicht unerheblich mit in unseren, ach so „Freien  Willen“ und unser vermeintlich „klares Bild der Welt“ als Beurteilungsgrundlage mit hinein.

Ich könnte hier noch massenhaft Faktoren aufzählen, die zumindest meinen Begriff einer rein rational, objektiven Urteilsbildung ad absurdum führen.

List & Tücke des ICH

Interessant für wirklich jedermann finde ich hingegen, welche Mechanismen der mehr oder weniger vorsätzlichen Selbstüberlistung unsere „Schaltzentrale“ offensichtlich schon seit Ewigkeiten in petto hat.

Sigmund Freud & seine Tochter Anna fassten diese als Abwehrmechanismen des ICH zwischen Schuld & Schamgefühl, aus der moralischen Instanz des Über-Ich heraus und aus der Angst vor der eigenen Unbeherrschtheit, hauptsächlich gegenüber unseren Trieben sowie motiviert durch die Furcht vor Bedrohungen zusammen.

  • Verleugnen von Teilen der Wirklichkeit, des soeben Erlebten oder in der Fantasie

z. B. die Ohnmacht von Medizinstudenten bei einer Autopsie oder die Ladung zur Scheidung ignorieren oder die gedankliche Verwandlung des übermächtigen Vaters in einen kuschligen Teddybären innerhalb einer Kinderfantasie.

  • Verdrängung oder „motiviertes Vergessen“

z. B. die Feststellung: Ich wurde nie wissentlich betrogen (ohne den Widerspruch zu bemerken zu) – nur einmal spannte mir eine vermeintliche Freundin meinen Partner aus. Oder die Aussage: Bei jeder Frau, die ich seither unter dem gleichen Vornamen kennengelernt habe, konnte ich mich etwas später an diesen Namen nicht mehr erinnern. Oder Menschen, die sich an ganze Jahre ihrer Kindheit nicht mehr erinnern können, in denen ihnen Unfassbares angetan wurde.

  • Asketismus, aufgrund einer Enttäuschung  oder massiven Unsicherheit einem Bedürfnis gegenüber, versagt sich der-/diejenige die ganze zugehörige Bedürfnispalette oder verschiebt den Verzicht auf ein wichtiges Ersatzbedürfnis.

z. B. Eine Ehe geht auseinander und die vormals immer gut gekleidete, attraktive Frau verliert ihren Bezug zu jeglicher Form von Weiblichkeit (Kleidung, Kosmetik etc.). Ähnliches gilt für Menschen, die nach einer herben Enttäuschung Appetit und Hungergefühl verlieren.

  • Bagatellisierung oder Isolation (des Gefühls) oder Intellektualisierung, mit einem schwerwiegenden Tatbestand umgehen als sei es kaum der Rede wert.

z. B. Katastrophenopfer, die völlig rational und „schmerzfrei“ zunächst Anderen aus der Situation heraus helfen und erst viel später bemerken, wie schwer sie selbst verletzt sind. Oder auch ein Kino schreiend lachender Menschen, während im Film Menschen verstümmelt werden.

  • Verschiebung eines massiven Impulses auf ein Ersatzobjekt

z. B. jemand der sich vom Chef ungerecht erniedrigt fühlt, schlägt zu Hause sein Kind, seine Frau. Oder jemand hat Grund seine Mutter zu hassen, äußert das aber nie, verurteilt dafür alle Frauen.

  • Wendung gegen das Selbst, eine Verschiebung auf sich selbst als Ziel

z. B. übermäßige Schuldgefühle, Depressionen, Minderwertigkeitskomplexe bis hin zur Selbstverletzung

  • Projektion der eigenen abgelehnten Bedürfnisse u. ä. auf Andere (als Unterstellung)

z. B. manche Eifersucht, manches Misstrauen dem Partner gegenüber wächst aus den eigenen untreuen & lustvollen Gedanken, die man eigentlich gar nicht haben will („Was ich denk‘ & tu, das trau ich den Andern zu.“). Oder in der einen Freundin regen sich wider Willen sexuelle Wünsche gegenüber der anderen Freundin. Stattdessen macht sie sich ausschließlich Gedanken, wie viele Lesben wohl in ihrem Ort unentdeckt leben.

  • Altruistische Selbstaufgabe, eine Form der Projektion, ein Erfüllen der eigenen Bedürfnisse an Anderen

z. B. der kuppelnde, extrem neugierige gute Freund oder auch hörige Menschen

  • Reaktionsbildung, demonstrativ gegenteiliges Reden und Handeln zum problematischen Bedürfnisimpuls

z. B. heranwachsende Jungen, die Mädchen angeblich eklig finden, aber.. Oder die erniedrigte Ehefrau, die sich besonders umtriebig und fürsorglich um den Feierabend ihres Mannes kümmert

  • Ungeschehen machen bereits gedachter, unakzeptabler Gedanken per Ritualhandlung

z. B. ein alkoholkranker, schlagende Vater, der zur Weihnacht den größten Baum im Ort kauft und sich nach den Feiertagen über die Undankbarkeit seiner Familie aufregt, wegen der er trinke. Oder auch übertriebener Waschzwang nach dem Sex.

  • Introjektion, ein Einverleiben geneideter Eigenschaften eines Anderen in sich selbst

z. B. Imitationen generell oder auch ein verzweifelter Witwer, der allabendlich das Kleid seiner verstorbenen Frau anzieht

  • Identifizierung mit dem Angreifer (Stockholm Syndrom), eine Variante der Introjektion, in der man seine Furcht durch Annäherung an die negativen, bedrohlichen Eigenschaften des Angreifers kompensiert

z. B. entführte Opfer entwickeln Sympathie für die Täter, unterstützen sie sogar

  • Regression, Rückentwicklung in die zuletzt erfolgreich abgeschlossene Entwicklungsphase, ausgelöst durch extremen Stress

z. B. kindlich verniedlichendes Verhalten & Reden bei Furcht oder auch Verwandlung einer sich bedroht fühlenden Menschenmasse in einen aggressiv primitiven Mob

  • Rationalisierung, häufige, leichtfertige kognitive Verzerrung der Fakten (= Lügen), um die Gefahr (vor sich selbst) klein zu reden

z. B. der notorische Lügner, der sich seine Lügen langsam selbst glaubt

  • Sublimierung, Umwandlung eines nicht akzeptierten Impulses in seine akzeptable, produktive Form

z. B. entlastender Ausdruck belastender Fantasien in Form von Kunst, Gemälden, Skulpturen

Die meisten „Tricks“ des EGO sind völlig normal..

und haben ihre sinnvolle Funktion der Entlastung – hier & da. Typisch ist auch, dass sie meist völlig unbewusst, fast automatisch ablaufen.

Deshalb meine ich, man sollte diese „Kunstgriffe der Psyche wenigstens kennen und sich hin & wieder selbst fragen, ob das, was man tut, auch wirklich dem gilt, womit man sich gerade auseinanderzusetzen meint. Sicher tauchen diese Mechanismen auch oft in Kombination auf. Unser Köpfchen ist da teilweise sehr erfinderisch.

Kommen Sie sich einfach nur selbst besser auf die Schliche  🙂  Es lohnt sich und nicht selten wundert man sich, was eigentlich die ganze Zeit dahinter steckte.

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