Assur und Babylonien

Entfremdung der Geschlechter im alten Orient

Während sich im alten Ägypten die Geschlechter tendenziell eher NICHT gegenseitig dominierten, sah es in den meisten anderen Hochkulturen des alten Orients zusehendst schlechter aus – für das Gros der Frauen.

Dieser Artikel ist der 5. der historischen Reihe auf der Suche nach den Wurzeln unseres heutigen Verständnisses unserer Geschlechtsrollen..

  1. tibet-873825_1920Geschlechterrollen – woher kommen sie? Nomadische Ursprünge, erste Sesshaftigkeit, (neolithische Revolution)
  2. ruins-774926_1920Wehe, wenn sie losgelassen.. erste Stadtstaaten, Hierarchien, beginnende Klassengesellschaft, (Zivilisation)
  3. 1200px-Bullock_cart_driver,_National_Museum,_New_DelhiRisiko ist relativ.. vom urspr. Risiko des Überlebens zu den neuen Risiken innerhalb der Gesellschaft – konkret: Sumerer in Mesopotamien
  4. egypt-1002818_1920Kultur kommt von „Kult“ & „Ur“?? (scherzhaft) aber: Kultur ist viel älter & umfassender als die „bloße“ Zivilisation – konkret: die über 2000jährige Hochkultur in Ägypten

Neuere Erkenntnisse der Klimaforschung legen nahe, dass die Konzentration von Kultur, Macht, Fortschritt & Handel (im weitesten Sinne) rund um das östliche Mittelmeer samt der folgenden Zuwanderungen & Eroberungszüge fremder Stämme aus Norden & Osten kein Zufall waren.

So meinen die Klimaforscher ab ca. 3000 v. Chr. eine allmählige Abkühlung am Rande diese Region zu verzeichnen, die widerum, bis zur Machtausweitung der Römer um 500 v. Chr., speziell das begehrte Gebiet der damalig immer dichter besiedelten Kulturzentren nahe des östlichen Mittelmeers ebenso schleichend, dafür aber immer großflächiger austrocknen ließ.

Wie auch immer – nachweisbar im 2. und 1. Jahrtausend vor Christus sind massive Assyr_Krieger_auf_Streitwagenkriegerische Auseinandersetzungen um dortige Gebietsansprüche wie auch die unterschiedlichsten Allianzen & Schulterschlüsse zwischen den Stadtstaaten oder Volksgruppen (bis zu mancher „edelblütig strategischen Brückenhochzeit“), um die eigene Machtposition auszubauen und mit den eigenen Strukturen weiterhin sicher zu dominieren.

Deutlich bleiben allein die relativen Standortvorteile des fruchtbaren Halbmondgebietes rechts & links der Flusstäler samt technischem Fortschritt, deren Kunde sich offensichtlich mit Ausweitung der Handelswege nach Ost & West immer weiter verbreitete und Begehrlichkeiten weckte – womöglich zusätzlich zu immer schlechteren Siedlungsbedingungen speziell in Innerasien.

Nun will ich hier aber keinen Geschichts- oder Erdkundeabriss aufzeigen, sondern bin immer noch auf der Suche nach

Indizien für die Entwicklung der Rollenbilder,

..die sich über das Selbstverständnis der jeweilig obsiegenden Stämme & Stadtstaaten in die vorherrschende Kultur mischten.

Grundsätzlich lässt sich für diese turbulenten Zeiten insgesamt wohl festhalten, dass Kriegszeiten eher die Welt von Mann & Frau in Alltag & aller Konsequenz ihrer Rollen getrennt haben, während ruhigere Friedens- und Ausbauzeiten, die sich konsolidierend in längerfristig errungenen Herrschaftsperioden gleichfalls immer wieder ergaben, tendenziell wieder ein besseres soziales Mit- und Nebeneinander der Geschlechter förderten und wohl mehr die Aspekte des (Er-)Lebens statt des reinen Überlebens in den Vordergrund schoben.

So werde ich im Folgenden nur die wichtigsten Strömungen in Religion & Gesetzgebung  innerhalb der damaligen Völker „streifen“, denn sie gaben den Rahmen & die übergeordnete Bestimmung vor für das Leben und die Möglichkeiten der Entwicklung von Mann & Frau.

Rim-Sin_foundation_figurine,_1822-1763_BC_-_Oriental_Institute_Museum,_University_of_Chicago_-_DSC07168Mit Ende der sumerischen Herrschaft um 2000 v. Chr.  begann ein wilder Schlagabtausch um die Vorzüge Mesopotamiens. Semitische, mehrheitlich noch nomadische Volksstämme, darunter die Amurriter, die vor Jahrhunderten bereits ins Land der Fruchtbarkeit gekommen waren, mischten sich mit der Urbevölkerung, lernten offensichtlich schnell dazu und errungen mit der Zeit erste Vormachtstellungen in einzelnen Stadtstaaten.

Als die letzte akkadische Dynastie der Sumerer um Ur von den Elamitern aus dem Osten (Iran) gestürzt wurde, begann der Kampf und es entstand eine Machtabfolge, im wesentlichen zweier neuer Großreiche über Jahrhunderte hinweg zwischen den beiden zentralen Ursprungsorten Assur & Babylon.

Assyrer wie Babylonier..

brachten, außer ihrem stark naturverbundenen Aberglauben, ihrer Kriegs- und Eroberungslust & männlichen Härte inklusive ihrer eigenen Strukturen, nur wenig wirklich neue Aspekte in die Kultur Mesopotamiens mit ein, obwohl sie die Zivilisation nach Machtergreifung immer weiter vorantrieben.

In der Religion z. B. reicherten sie die Götterwelt der Sumerer zunächst „nur“ um ihrem jeweiligen Stadtgott und um einige weitere Götter an, benannten manche Gottheit um und ließen ihr eigenes, irdisches Ringen um die Macht sich symbolisch in Aufstieg & Niedergang der einzelner Gottheiten widerspiegeln.

So wurde Assur der männliche Haupt- und Schutzgott der kriegerischen & handelsbegabten Assyrer. In der babylonischen Religion hingegen übernahm der ebenfalls männliche Marduk längerfristig das göttliche Zepter der Macht.

1200px-Bullock_cart_driver,_National_Museum,_New_DelhiSpeziell die geschlechtsspezifischen Komponenten des  Aufstiegs Marduks, künftig zudem als MÄNNLICHER SCHÖPFER des Menschen, hatte ich bereits hier.. anhand der Sage vorgreifend angerissen.

Während die Assyrer aus dem Norden Mesopotamiens, die sich für ihren Sieg mit den Hethitern (Anatolien) arrangiert hatten, selbst v. a. durch ihre Brutalität und die ersten Volksdeportationen als besonders erniedrigendes Exempel ihrer gelungenen Machtergreifung  von sich reden machten, weiß man über die Babylonier wesentlich mehr & differenziertere Dinge.

So glaubten die Babylonier daran,

.. dass ihre vermenschlichten Götter ihre „irdischen Ebenbilder“ (= die Menschen) dringend bräuchten, weil diese Götter sonst Hunger leiden und erzürnen würden. Sie mit tierischen Opfergaben zu besänftigen & zu hegen, gehörte somit ebenso zum Kult in Babylonien wie das Gebet, das als berechtigte Bitte zwischen allem Göttlichen & den Menschen nun seinen Platz „im System“ einnahm.

Eine reichhaltige Omen-Literatur zeugt zudem davon, wie abhängig von Glück & Natur sich die ursprünglich nomadischen Amurriter Babyloniens noch immer gefühlt haben müssen. Glaubten sie doch zusätzlich, neben ihren Göttern, noch an Unheil bringende Halbwesen & Dämonen nebst schicksalweisenden Zeichen, die es als Götterwille zu erkennen & zu deuten sowie mit Amuletten das stets drohende Unheil zu bannen & abzuwenden galt.

Welch‘ innerer Zwiespalt tut sich da aus heutiger Perspektive auf ?

320px-Worshipper_Larsa_Louvre_AO15704Einerseits, mit traditionell kampf- & gewaltbereiter Entschiedenheit gegen jeden Widerstand bis an die Spitze des Möglichen vorzugehen und andererseits, stets & ständig die Augen offen halten zu müssen, um nicht eines Tages doch dem (?gerechten?) Schicksal „ins Visier zu laufen“..

 

Ich finde, das schlägt sich auch im

Codex des Hammurabi,

des ersten babylonischen Herrschers nieder. Die Babylonier amurritischer Herkunft kannten die Furcht nur zu gut, wussten sehr genau, wie weit sie sich und um welchen persönlichen Preis sie sich emporgekämpft hatten..

292px-P1050763_Louvre_code_Hammurabi_face_rwk-1Die 282 Paragraphen der in 2,25m Basalt gemeißelten Gesetzesklatte sollten nun, da die Babylonier ihr Ziel erreicht hatten, jene Strukturen schaffen, welche die Verhältnisse zu konsolidieren & stabilisieren vermochten.

Wahrhaft streng nach ihrem Lebensgefühl & ihrer Erfahrungswelt, mussten diese Gesetze genau so erbarmungslos & im öffentlichen Vollzug anschaulich, demonstrativ sein – so wie sie es selbst erfahren hatten & erfahren mussten.

So folgt der Codex des Hammurabi dem gleichen, scheinbar naturgegebenen Rechtssatz der Talion wie das Alte Testament: „Auge um Auge, Zahn um Zahn!“

Wenig human, meine ich, und nur ein Ausschnitt der Realität, allein eine Facette im Licht, wenn man es genau bedenkt – auch damals schon.

Denken Sie mal drüber nach.. ein Ältestenrat, wie bei den alten Indianern, den ich bei den Babyloniern aber nirgends finden konnte, hätte da bestimmt, wie auch mancher Wink einer loyalen Frau  „manches geglättet & manch harte Kante eines bösen Zahns geschliffen“.. meinen Sie nicht?

386px-P1050771_Louvre_code_Hammurabi_bas_relief_rwkDennoch aber gilt der Codex des Hammurabi natürlich als überaus wertvolles & ältestes Werk dieses Umfanges in Keilschrift.

Ich meine, es erinnert doch Vieles bereits damals schon an die ganz alten Geschichten der Bibel – zumal auf dem Bild der Basaltstele der Sonnengott Schamasch dem ganz offensichtlich handelnden Hammurabi fast den Arm, die (schreibende) Hand zu führen scheint.. Schauen Sie mal hin..

Aber gut, der Codex war in jedem Fall auch ein Fundament, auf dem Architektur & Wissenschaft weiter wachsen konnten – fast 200 Jahre hielt allein der erste Frieden in Babylonien (1728 – 1531 v. Chr.) und es muss dennoch ein emsiges Treiben in Städten & Ländereien gewesen sein.

Witzig noch, dass wir bei diesen forschenden Gläubigen, neben ersten astronomischen Erkenntnissen, auch noch reichlich astrologische Aspekte, ja – unsere ersten Horoskope (wieder)entdecken.

Horoskope? Warum?

Weil der bis heute rätselhaft faszinierende, nie stillstehende Lauf der Sterne in einem Meer ihresgleichen ihnen natürlich – abermals & eben auch – Aufschluss darüber geben sollte, was wohl dem Willen der über Allem stehenden Götter entsprechen möge. So wie die Menschen damals voll buchstäblicher Ehrfurcht gedacht haben müssen.

All das entsprach wohl eindeutig antiken Männerwelten!

Wie das aber mit den Frauen im Patriarchat  Babyloniens & im Reich der Hethiter damals lief, wie die Sage des Turmbaus zu Babel „ins Bild“ passen könnte und wie unterschiedlich akzentuiert sogar noch im antiken Griechenland erste bedeutende Stadtkulturen dachten..

Das soll in den nächsten Wochen Thema sein.

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