Alte Zeiten - neue Zeiten

Alte Zeiten, neue Zeiten

Seit unserer Jugend hat sich viel verändert – enorm viel und es ist kein Ende in Sicht.

Ich habe drei „Uralt-Freunde“,

.. von denen der eine vor 35 Jahren immer wieder dreist betonte, er sei schlicht 100 Jahre zu spät geboren. Damals seien die Verhältnisse zwischen Männern und Frauen wenigstens noch klar festgelegt gewesen und das wäre gut so.

Heute (=damals in den 80ern) sei nichts mehr klar, nicht mal, dass das Essen sicher auf dem Tisch stünde, wenn er Hunger hätte.

Der andere sah sich damals und sieht sich heute erst recht in der Mehrzahl von selbstbestimmten Frauen umgeben, die nicht nur wissen sondern zunehmend durchsetzen, was sie für sich wollen. Sicher gäbe es da auch noch die anderen, aber die scheinen ihn nicht zu reizen.

So sieht er die Welt noch immer – nachdem seine eigene Frau sich nach 30 Jahren auf miese Art getrennt hat und er feststellen muss, dass sie ihm fremd geblieben ist.

Und der dritte macht nicht viel Worte, hat versucht eine gleichberechtigte, lebendige Ehe zu führen, nach 20 Jahren jetzt aber erkannt, dass es zwar okay war, aber an seinen Bedürfnissen doch etwas vorbei gegangen zu sein scheint, weshalb beide nun auf räumliche Distanz voneinander gehen. Sie wollen sehen..

Drei völlig verschiedene Männer unserer Generation mit komplett unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen. Aus ihnen sprechen Bilder, tradierte und neue. Es sind innere Bilder, von sich selbst als Mann und von Frauen, wie sie sind oder sein können, aber auch, was sie sich von ihnen erwarten.

Über meinen Vater und seinen Kreis hab ich mitbekommen, wie’s damals hier & da weiterging – damals(!), wie gesagt.

PrismaNe‘ Glaskugel für unsere Zukunft aber hab ich nicht – bestenfalls eine Art Prisma, vielleicht auch ein Brillenglas, das mir die realen „Facetten“ im Hier & Jetzt aufzeigen kann.

Während ich das denke, kommt Junior rein, fragt mich über Personalvermittler. Interessantes Thema, gibt nicht viele gute.. Ob er sowas mal ausprobieren wolle? Ob er wisse, was da dazugehören kann und ob bzw. welches Provisionskonzept dahinter stehen könnte? (Zumal ich mir gerade die Firmengeschichte angeschaut hab..) Wir klären das mal kurz. Er schließt daraus: „Auf interner Schiene – vielleicht?“.

Er verschwindet wieder und ich hör‘ in den Nachrichten: Die guten Finnen wollen ihren Grundschulkindern nun nicht mehr länger das (handschriftliche) Schreiben (selbst) beibringen. Gemeint ist wohl, handschriftlich Gebundenes, also die fließende Handschrift mit zu Wörtern verbundenen Buchstaben, solle demnächst vernachlässigt – dafür solle früher und mehr getippt werden, an PC & Tablet. Die Programme könnten ja dann korrigieren, umgehend. Man müsse jetzt nur noch schauen, welche Konsequenzen für unser Gehirn etc. das hätte, aber in Deutschland würde auch schon darüber nachgedacht – die Schweizer praktizierten es bereits.

Sorry, aber was ist das denn jetzt schon wieder für ein „Schnellschuss“?

„Haben die Finnen bessere Rechtschreibprogramme als wir?“ – meine erste Frage.  In Deutschen Landen bliebe da wohl eher einiges unentdeckt, so man z.B. normaler Microsoft-User ist. Und ähnlich korrigierende Freeware bringt da teils noch weniger als der „Software-Platzhirsch“.

Ich meine, wenn sie schon an so wichtigen „Schrauben“ drehen wollen, lässt sich auch vorher schon recherchieren und, wie ich finde, ziemlich deutlich entdecken, dass außerdem auch viele, sehr viele, der heute bereits erwachsenen Generationen genau mit & durch eben dieses Selbst-Geschriebene, über das ganz simpel per Griffel auf Papier „Gepinselte“ am besten lernen! Das kann ich jedenfalls auch für mich nur unterstreichen.

Ich würde mir spaßeshalber auch mal die Verkaufszahlen der Druckindustrie für Kreuzworträtsel und Soduko und ähnliches anschauen, ob die gerade ins Bedenkliche abrutschen. Bei nur ’nem bissl Abwärtstendenz, würd‘ ich mir das Marketing und die Kanäle der Info anschauen – aber bei einem größerem „Erdrutsch“ käme ich wahrlich ins Grübeln, denn diese „Rätsel-Zahlen“ wären mir ein Indiz! Ihr Konsum dokumentiert schließlich, wie gern immer noch „nur zur Entspannung und schnell mal so zwischendurch“ geschrieben & gedacht wird – generationsübergreifend.

Ich halte es da eher mit Neil Postman. Nö, nicht der, der 2x klingelt, sondern einer der wenigen Autoren, von denen ich drei Bücher vertragen konnte. Seine Titel liegen zwischen „Wir amüsieren und zu Tode“ bis zu „Keine Götter mehr – Das Ende der Erziehung“ aus den 90ern und sind offensichtlich aktueller denn je. Und: Postman meckert nicht nur, er bringt einen plausiblen Gegenansatz, den auch ich schon damals um ein Vielfaches wichtiger und lang schon für überfällig hielt. Nein, ganz ehrlich & ernsthaft:

Das Schreiben behalten, aber die Schrift verlieren?

Das hieße ja, auch ohne PC & Co, noch mehr & mehr & mehr.. eingeschränkt, weil allein auf die Technik angewiesen zu sein. Wir beklagen uns überall, wie die Süchte hochschießen und immer weiter ausfächern. Und dann wollen wir uns künftig gleich alle, von Kindesbeinen an und damit noch viel ausschließlicher, von diesem substanzfreien Suchtmittel abhängig machen?

Und nein, dann lernen die Kinder lediglich Druckbuchstaben zu schreiben. Damit kommt weder das Schriftbild, noch kommen die Worte, noch die ebenso mit ihnen verbundenen Gedanken in Fluss. Die Ergebnisse werden Argument sein, auch diese noch abschaffen zu wollen – mangels Geschwindigkeit & sinkender Qualität.

Schrift, eines der individuellsten Ausdrucksformen der Welt,..

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mit dem wir alle bisher begreifen, reflektieren & fokussieren, soll „sterben“ wie die Rechenkunst und unser Orientierungsvermögen???

Mit allen dreien zusammen (statt ihrer TV & Navi, Autopilot, Abstandshalter & Einparkhilfe neben PC, Smarty & Tablet) geht auch ein gewaltiges Stück unseres realen Vorstellungsvermögens verloren. Dabei begreifen wir heute schon viel zu wenig von unserer Welt.

Ist somit in Finnland auch gleich das private Testieren mitabgeschafft, das sich durch die Eigenheit der Handschrift legitimiert? Erleben Notariate nun einen Boom aus neuer Pflicht heraus? Mutieren sie mit der Zeit zu einem weiteren Monopol, durch das wir uns schlängeln müssen – wie durch Ämter, Krankenkassen, Banken, durch Teile des Kirchenrechts und irgendwann einmal bis hinter Greeneisens Pforten?

Und, by the way – mit zwinkerndem Auge : Ist der Strom in Finnland eigentlich ebenso kostenlos wie das Internet bei den Schweden? 😉 Bei uns ist die Rechtschreibreform eine Art Abwrackprämie für die Lehrbuchverlage. Was ist das Tippen ab Klasse 1 in Finnland? Stellen die Schulen das Tablet, den PC? Oder sollen Eltern auch das noch finanzieren, neben Smartphone etc., und werden E-Books am Ende dann auch noch die Schulbücher „verschlingen“?

Aber soweit muss ich gar nicht gehen. Ich bin überzeugt, nicht „nur“ vom Schreiben an sich. Ich bin auch überzeugt..

von der bereichernden Wirkung der fließenden Schrift.

Das ist nochmal ein komplett anderer Umgang, geht auch bei Kerzenlicht, im Bett, auf der Wiese und ohne Akku, summt nicht, strahlt mich nicht an – egal jetzt mal, wie.. – lässt einen viel besser auch mit den eigenen Augen umgehen, entspannnnnnnnnnnnnt in mehrfacher Weise, übt Null Druck aus, lässt sich völlig frei und mit simpelsten Mitteln handhaben und sorgt ganz nebenbei dafür, dass aus unserer Feinmotorik ständig gute neue Gedanken sprießen. Hallo? Was wollen wir denn mehr?

zurück nach oben?   oder Lesen Sie weiter, meinen Gegenvorschlag:

Das „Werkzeug“ reifen lassen..

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