Ich und eine Therapie?

Ausgerechnet ich und eine Therapie?

Ja, da war tatsächlich mal was (ich muss schmunzeln) – die beschriebene 20-Stunden-Kurzform – allerdings nicht direkt wegen mir..

Ich war damals mit jemandem zusammen, der im Rahmen eines Erbschaftsstreits abermals mit seiner alten Familiengeschichte konfrontiert wurde und darüber haltlos in Depressionen zu versinken drohte. Nur widerwillig ließ er sich therapieren, aber er stand kurz vor der Arbeitsunfähigkeit und wir beide hatten es ebenfalls nicht leicht miteinander.

Ihn störte vor allem, so hab ich das empfunden, dass es mir nicht ebenfalls so mies ging und ich weiterhin alles im Griff behielt. Und so forderte er mich quergeistig und misstrauisch auf, doch selbst mal so eine Therapie zu machen – ich sei ja schließlich auch nicht fehlerfrei.

„Wo er Recht hat, hat er Recht“, dachte ich, war tatsächlich auch ein bisschen neugierig. Ich schaute, ob es zeitlich ging, ließ mir von seinem Arzt drei Adressen zur Wahl geben und entschied mich nach einer merkwürdigen Odyssee dann für die letzte. Das Einzige, was ich dort über mich (bestätigt) erfuhr, war, dass ich mehr auf meine Selbstbestimmtheit achten, öfter auch mal „Nein“ sagen sollte.

Hätte ich ganz auf die fortlaufende Beratung gehört, hätte ich schon nach der dritten Stunde meine Beziehung beenden sollen!?

Sich innerhalb der Beziehung besser positionieren zu können, davon musste ich meine Therapeutin überzeugen. (Vielleicht noch wissenswert dazu, einen Menschen, der unter starken, noch nicht erfolgreich behandelten Depressionen leidet, zu verlassen, kann ernsthaft schief gehen. Ihm rinnt ohnehin schon der Lebensmut durch die Hände. Ganz allein wird das selten besser..)

Darüber kann man nun denken, wie man will. Für mich waren das schon mal die falschen Vorzeichen, denn ich sah zu dieser Zeit damals keinerlei akute, für mich selbst unlösbare Frage in mir. Bei aller Offenheit meinerseits dort, ist diese Ausganslage aber beileibe weder die geeignete, noch die typische Ausgangssituation für eine Therapie. Das muss man fairerweise hier anfügen.

Aber selbst wenn sich in mir größere Probleme angehäuft hätten, wäre diese im Hochsommer stets mit Wollsocken & Decke kauernde Dame wohl ebenso wenig tauglich dafür gewesen wie ihre zwei Mitbewerber, die ich mir in einer bzw. zwei Kennenlern-Stunden zuvor angeschaut hatte..

Der eine war klein, dicklich und blass..

und saß in einem riesigen, klassischen Altberliner Zimmer ganz weit hinten, ewig von der Tür entfernt, verschwand fast hinter einem schweren altertümlichen Schreibtischmonster mit Löwenfüßen unten dran. Sonst war da kaum etwas im Raum – geschätzte 1,60 m blieben aber sitzen. Erst als ich bei ihm war, schob er sein blutloses Händchen mir kraftlos zum Gruß entgegen.

Ich begann kurz meine Situation zu schildern. Von ihm kam irgendwie so gut wie gar nichts. Überhaupt hatte er die Ausstrahlung eines farblich angepassten Chamäleons, dem ich nicht mal zutraute, eine zweite Stunde mit mir zu überstehen. Nun gut, der war also nichts für mich und der zweite?

Der Zweite war ein Freudianer

– Sie wissen schon, ein Anhänger von Sigmund Freud (dem Urvater der Tiefenpsychologie, den ich übrigens für wegweisend halte, aber auch nicht alles von ihm teile). Dieser „Neuzeit-Vertreter“ jedenfalls hatte sich das Souterrain seiner Villa als Praxis ausgebaut und da stand es auch, das passende Canapé mit schokobraunem Leder, gehalten von klassischen Polsternägeln. Dort sollte man es sich allen Ernstes gemütlich machen. Okay.

Ich tat, wie mir geheißen, und fragte auch nach einer Einzeltherapie. Genau diese aber war angeblich im Terminplan nicht mehr möglich und er lud mich zum Wochenende zu einer Probegruppensitzung ein. Na auch das noch, dachte ich. Das zu erleben, war dann aber doch sehr aufschlussreich, alldieweil da ungefähr 8 oder 9 Leute im Kreis saßen, zwei davon schliefen und der Rest „beharkte“ sich, wie das nun mit Vegetariern, Veganern und den anderen, die so stinken, sei???

Doch, doch – Monsieur Dottore saß auch mit dabei, sagte und tat aber nichts, außer selbst zu gähnen. Er weckte nicht mal die beiden genüsslich Schlafenden. Nach dieser Stunde hab ich mir letztlich noch einen aus dieser tollen Truppe „rausgefischt“ und bin mit ihm  eine Tasse Kaffee trinken gegangen. Er erzählte mir dann, dass Handlungszwang für den Therapeuten ja auch nicht unbedingt bestünde. Der bekäme sein Geld in jedem Fall – bei so einer Gruppensitzung dann eben das 8- bzw. 9-fache Honorar pro Nase für die eine Stunde.

Dafür war mir mein geliebter Samstag dann aber doch zu schade.

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